Jan 212019
 

Wer Informationen suchte, konnte aus dem Vollen schöpfen: der Lymphtag im Krankenhaus Reinbek am Samstag, den 17. November 2018, bot zu vielen Themen der Lymphologie theoretische und praktische Angebote an,  ausgewählt von der erfahrenen Organisatorin der Veranstaltung Frau Regine Franz als Landessprecherin und Leiterin der Selbsthilfegruppen Stormarn und Hamburg-Eilbek. Deren Teilnehmerinnen hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung die für sie wichtigsten Themen im Zusammenhang mit ihren Erkrankungen zusammengestellt, und sich tatkräftig für diese gelungene Veranstaltung eingesetzt.

In Verbindung zum Krankenhaus Reinbek hat Frau Franz den Gefäßchirurgen des Hauses – Dr. Markus Jonczyk – zum Vortrag „Lymphologie und Lymphödem, was ist das?“ eingeladen. Aufklärung und Erkenntnisgewinn über die lymphologischen Erkrankungen aus mediziníscher Sicht stehen für Betroffene im Vordergrund, und Dr. Jonczyk bot in einem gut zu verstehenden Vortrag einen Überblick über die verschiedenen Krankheitsbilder. Aus diesem wenig beachteten Gebiet der Medizin, was die Ausbildung und den Stand der Forschung angeht, kann für viele Menschen das Lymphsystem zum Problem werden, da es nicht nur erblich bedingte Schädigungen gibt, sondern auch durch Unfälle, Operationen oder Bestrahlungen geschädigt werden kann. Viele Anlaufstellen an erfahrenen Ärzten, Kliniken und Nachsorgeeinrichtungen, wie z.B. Lymphtherapiepraxen zu finden, wäre für Betroffene enorm wichtig. Hier zeigt sich der Bezug zur aktuellen Diskussion über schlecht bezahlte Physiotherapeuten und dem Mangel an Nachwuchskräften. Da es sich bei Lip- und Lymphödemen um chronische, sich stetig verschlechternde Erkrankungen handelt, ist für manche Betroffenen schon die Diagnose psychisch schwer zu verkraften, von den Aussichten auf Bandagierung und Kompression mal ganz zu schweigen. Dr. Jonczyk erläuterte in einer Übersicht notwendiger Zusammenarbeit nach der Diagnosestellung, wie wichtig die ganzheitliche Betrachtung der Erkrankungen ist, inklusive der  Ernährungsumstellung und der sportlichen Aktivität zum Abbau oder der Vermeidung von Übergewicht, der Entstauungstherapie und der Hilfe zur Selbsthilfe.

Wie wertvoll die Arbeit der Selbsthilfegruppen sein kann, erfährt jeder Mensch vielleicht unterschiedlich. Grundsätzlich sind die Hilfen, die der Austausch von Erfahrungen mit sich bringt, bei lymphologischen Erkrankungen wirklich wertvoll. Viele Frauen erfahren erst sehr spät im Leben, das sie an einer dieser lymphologischen Krankheiten leiden. Dutzende Diäten später, vielen Vorwürfen zu  ihrem Körperformat, vielleicht schmerzhaftem Körpergefühl erfahren sie von gleichem Erleben unter Gleichen.

Das Gefühl von Aufgehobensein, mal nichts mehr erklären müssen, ist schon unbezahlbar. Das Beleidigungen für besondere Körperformate in unserer Gesellschaft an der Tagesordnung sind, haben viele Frauen aus den Selbsthilfegruppen schon erfahren. Daraus hat sich die Plakat-Idee ergeben, mit denen die Besucher der Veranstaltung im Eingang empfangen wurden. Das Verständnis für ihre psychischen Befindlichkeiten und der Umgang mit sozialer Abwertung sollte erfahrbar werden beim Lesen der Sätze.

Der Diplompsychologe Michael Thiel sprach mit Betroffenen über diese verletzenden Bemerkungen: „Selbstbewusst mit Lip- und Lymphödem – Wie schaffe ich das?“ Wenn das Dünnsein in der Gesellschaft „Mode“ ist, dann ist Dicksein schon ein Grund für verbale Angriffe von Beleidigern. Das sie im Falle von Lip- und Lymphödem – Betroffenen jemanden mit ihren Bemerkungen verletzen, der sowieso schon selbst darunter leidet, ist den Beleidigern meist gar nicht klar. Wenn die Bemerkungen von Ärzten kommen, wiegen sie nochmal so schwer, weil ja eigentlich Beistand und Hilfe erwartet wird. Ob die Beleidigungen einen Menschen mit starkem Selbstwertgefühl oder schwachem Selbstwertgefühl treffen, macht den Unterschied. Das Selbstwertgefühl entwickelt sich anfänglich aus den Beziehungen zu den Eltern, sind diese sicher und verlässlich, entwickelt sich ein gestärktes Selbstbild, ein den Lebenserfahrungen zugewandter Mensch, welcher auch negative Erlebnisse verkraften kann. Beginnt ein Leben mit unsicherer, unzuverlässiger Bindung zu den Bezugspersonen, fehlen dem Selbstbild schon die ersten positiven Bausteine. Ein Ausgleich kann sich im Verlauf des Lebens finden durch andere Beziehungen, den Job, das Umfeld, und die Summe der Lebenserfahrungen macht am Ende einen Menschen und dessen Selbstwert aus. Die Lip- und Lymphödem – Betroffenen, deren Bild von sich selbst „angeknackst“ ist, die sich schlecht fühlen, ausgeschlossen, die eventuell depressiv sind, sollten sich damit nicht einschließen, sondern aktiv nach neuen Wegen suchen, die einem selbst wieder zu einem guten Grundgefühl verhelfen. Das kann ein neues Hobby sein, eine neue Gruppe von Menschen, der man sich anschließen kann, eine therapeutische Beratung beginnen, eine neue Sportart ausprobieren, oder ähnliches, das neue Wohlfühlmomente und Erlebniswelten verspricht. Hilfreich ist dabei, erstmal alles in kleinen Schritten zu tun, sich selbst und Andere gut zu behandeln, und Erfolgserlebnisse auch wahrzunehmen. So erobert sich die Kontrolle und Handlungsfähigkeit über das eigene Leben und das Erleben auch von unangenehmen Situationen wieder zurück.

Im Vortrag von Frau Birgit Bohn, Heilpraktikerin und Ernährungsberaterin, ging es um die Frage „Ernährung – ALLES erlaubt?!“ Übergewicht ist nicht die Ursache von Lip- und Lymphödemen, kann aber zu einer Verschlechterung führen und erschwert bei gleichzeitigem Erscheinen die Behandlung, die Aktivität und Motivation der Betroffenen. Die passende Ernährung zum Abbau und Verhindern von Übergewicht ist also ein wichtiges Thema und unterstützt alle sportlichen Aktivitäten und natürlich auch das Wohlbefinden. Der Nachteil heutiger Lebensmittel und Fertigprodukte liegt unter anderem oft in dem zu hohen Zuckeranteil. Am Beispiel des Insulins im Körperstoffwechsels veranschaulichte Frau Bohn, welche Folgen ein zu hoher Insulinspiegel haben kann:
Diabetes, Rheuma, Bluthochdruck, Cholesterinerhöhung, Immunschwäche, blockierte Hormonproduktion der
Schilddrüse, Absenkung von Sexualhormonen, alternde Zellen, verstärkte Insulinresistenz.

Wie kann der Stoffwechsel aktiviert werden?
Viel Bewegung, viel Trinken, gut kauen. Nur drei Mahlzeiten am Tag mit 4 – 6 Stunden dazwischen, nicht mehr essen nach 19 Uhr. Im „Notfall“ ein paar Nüsse oder Obst. Morgens zuerst ein Glas warmes Wasser trinken, dann Quark mit einem Löffel Leinöl und Obst. Mittags und abends vor allem Eiweiß und Gemüse. Alles in Maßen, dann ist alles erlaubt. Und einen Versuch wert.

Im nächsten Abschnitt der Veranstaltung stellt Frau Regine Franz das Projekt GALLiLy vor: Gesund und Aktiv Leben mit Lip- und Lymphödem. Von Aktiven aus der Lymphselbsthilfe e.V. entwickelt, wird Betroffenen in Workshops Gesundheitskompetenz im Umgang mit ihrer Erkrankung vermittelt. Hilfe zur Selbsthilfe, Moderatorenausbildung und die Förderung von Selbsthilfegruppen sind nur einige Punkte im
GALLiLy-Programm.

Im letzten Vortrag des Tages berichtet als Betroffene Frau Martina von Eitzen über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung Lip-/Lymphödem im Stadium III. In einer sehr bewegenden Schilderung über die Stationen ihres Lebens, in denen sich die Erkrankung ausbildet und verschlechtert, über die Wende und den Erkenntnisgewinn, welche Dinge ihr helfen, wieder aktiv zu werden, zeigt sich ihr Lebensweg auf und teilt uns als Zuhörern mit, welche Kraft dafür nötig ist.

Mit dem Hinweis auf die im Anschluß folgenden Workshops geht es in eine weitere Pause und die Industrieausstellung.
Kompressionsstrumpfhersteller: BSN-Jobst, Juzo, Medi
Sanitätshäuser: Stolle, ThiesMediCenter
Kompressionsverbände und Wundversorgung: Lohmann und Rauscher
Lymphgeräte: Bösl Medizintechnik Lymphomat, MTR Rostock Varilymph, Villa Sana LymphaPress
Trampoline Bellicon Deutschland
Florett Bandage-Schuhe

Nach der Ziehung der Gewinnerinnen des Preisrätsels, die alle an den heiß begehrten Wassergymnastik-Kursen teilnehmen werden, ging es in den letzten Teil des Tages, den Workshops. Drei standen den an die hundert Besucherinnen und Besuchern des Lymphtages zur Auswahl:
Yoga – Entspannung und Bewegung
Bellicon-Trampoline – Wirkungsvoll für das Lymphsystem
Kompressionsmittel und -möglichkeiten vorgestellt von Katja Wagner

 

Wir bedanken uns bei allen HelferInnen, BesucherInnen und UnterstützerInnen dieser Veranstaltung.
Bis zum nächsten Lymphtag am 19.10.19 in der Schön-Klinik Hamburg – Eilbek!

Frau Regine Franz als Landessprecherin und Leiterin der Selbsthilfegruppen Stormarn und Hamburg-Eilbek und deren Mitgliedern.